Vieles bei der Kindererziehung dreht sich um das richtige Timing. Es gilt mit ganz viel Feingefühl herauszufinden, wann Mama und Baby für neue Herausforderungen bereit sind. Eingewöhnung bei Oma? Wir sind noch nicht so weit.

Diesen Plan hast du ohne mich gemacht, Mama!

Einmal die Woche bei Oma, das war der Plan, Mamas Plan, nicht mein Plan. Nach über 14 Monaten rund um die Uhr Mama-Präsenz, starteten wir, Mama und ich, das Projekt „Eingewöhnung bei Oma“. Warum? Mama wollte sich kleine Freiräume schaffen, um mit wichtigen Kooperationspartnern – wie sie es nennt – in Ruhe einen Kaffee trinken gehen zu können, um Telefonate zu führen, die mindestens ebenso wichtig seien oder aber um einfach einmal ganz ungestört Einkäufe erledigen zu können. Mich hat dabei keiner gefragt.

Eingewöhnung bei Oma | Versuch 1

Und dann gab mir Mama nicht einmal die Zeit, mich langsam auf diese veränderte Situation – ich alleine bei Oma – vorzubereiten. Oma war sehr optimistisch und vergaß beim ersten geplanten Rendevous, dass es Lisandro ohne Mama bisher gar nicht gab. Ohne, dass ich wusste, wie mir geschah, nahm Oma mich in die Arme und ging mit mir einkaufen. „Das machen wir schon, fahr du nur entspannt nach Hause!“, so Oma.

Mama fuhr mit einem mulmigen Gefühl nach Hause, ohne sich zu verabschieden, einfach darauf vertrauend, dass schon alles gut gehen würde. Das tat es nicht. Ich schlief weinend ein, aß nach dem Aufwachen zwar gut, wollte dann aber doch ganz schnell nach Hause. Ich hatte so eine Sehnsucht nach meiner Mama. Kaum zuhause angekommen, sprang ich meiner Mama direkt in die Arme, gab ihr ganz viele Küsschen und wollte gar nicht mehr von ihr weichen. Ganz so, als würde ich sagen wollen: „Mama, ich dachte, du wärst jetzt für immer weg.“ Mama wusste sofort, dass es falsch gewesen war, gegen ihr Gefühl zu handeln. Sie fühlte sich schlecht und entschied, mich so schnell nirgends mehr alleine zu lassen. Das war Mitte September.

Eingewöhnung bei Oma | Versuch 2

Mitte November dann der nächste Versuch. Dieses Mal brachte Papa mich mit meinem großen Bruder Miguel zu Oma. Wir hatten zwischenzeitlich viel geübt, waren jede Woche bei Oma gewesen, um mich an das veränderte Ambiente zu gewöhnen. Nie wich ich von Mamas Seite und die ersten Wochen betrat ich Omas Wohnung nur mit Widerwillen. Sobald ich Oma entdeckte, wich ich ein paar Schritte zurück und wollte kehrt machen. Das machte Oma natürlich traurig, schließlich liebt sie mich doch. Aber ich wollte einfach nicht, dass sich das Erlebnis vom September wiederholte. Zwei Monate später also glaubte Mama, mir etwas Gutes zu tun, indem ich Oma in Begleitung von Miguel besuchen würde. Dieses Mal handelte es sich tatsächlich um ein „wichtiges Businessgespräch“. Als Papa die Tür hinter sich schloss, um zur Arbeit zu fahren, war es auch dieses Mal mit meiner Fröhlichkeit vorbei. Ich weinte und weinte, ließ mich nur immer kurz ablenken und beruhigen.

Eingewöhnung bei Oma | Versuch 3

Ganz so, als hätte Mama immer noch nicht verstanden, was ich ihr mitteilen wollte, startete sie Ende November einen vorerst letzten Versuch. Wir spielten vormittags gemeinsam bei Oma. Mama legte mich mittags schlafen und während ich schlief, verschwand meine Mama, klangheimlich, ohne sich zu verabschieden. Aufzuwachen ohne meine Mama zu finden, die mich zuvor noch ins Bettchen gelegt hatte, ist nicht schön, ganz im Gegenteil. Verzweifelt suchte ich überall, rannte bei jedem Geräusch zur Tür, in der Hoffnung, sie würde zurückkehren. Nichts. Mama war weg.

Oma gab sich bald geschlagen und brachte mich nachhause. Ja, zuhause, an der Seite meiner Mama, bin ich einfach am liebsten. Und Mama, glaub mir, irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, dass ich gerne bei Oma bin, dass ich am liebsten zwei aufeinanderfolgende Nächte bei Oma und Opa bleiben möchte; genauso wie mein großer Bruder Miguel. Aber gib mir die Zeit, die ich brauche, gib uns beiden die Zeit, die wir brauchen. Denn ich spüre doch, dass es für dich genauso schwer ist, mich loszulassen.

Loslassen ist einfach verdammt schwer

Ja, das Loslassen, das ist nicht einfach. Immer wieder erleben wir als Eltern Momente des Loslassens und der Abnabelung, wobei die ersten Trennungsmomente – wenn auch nur kurzfristig – meist besonders schwer fallen.

Ich habe diesen Beitrag aus der Perspektive meines mittlerweile 17 Monate alten Lisandro geschrieben. Sicherlich habe ich einiges hineininterpretiert, das Lisandro – könnte er schon sprechen – ganz anders beschreiben würde. Aber es ist die Perspektive, aus der ich das Erlebte in meinem Herzen abspeichere. Ich bin traurig, weil ich das Gefühl habe, einiges falsch gemacht zu haben. Kinder brauchen eine klare Verabschiedung … das ist die Empfehlung. Ich war zu feige, um mich einer „Verabschiedung“ zu stellen, wollte meinen kleinen Sohn nicht weinend zurücklassen. Das war nicht gut. Und ich war zu schnell, habe anfangs versucht, die Eingewöhnung über den Zaun zu brechen. Auch das war nicht gut. Ich habe egoistisch gehandelt, ich fühlte mich erschöpft, freute mich so sehr auf eine kleine Auszeit, dass ich die Tränen von Lisandro in Kauf nahm.

Ich rief meine liebe Freundin Mika an, bat um Rat und bekam diesen auch. Mika gab mir Tipps für eine langsame Eingewöhnung. Sie erinnerte mich aber auch daran, dass der richtige Moment zur rechten Zeit kommen würde. Ähnlich wie beim Abstillen kommt dieser Moment und wir Mamas spüren wann es soweit ist, so war es bisher und so wird es auch künftig sein.

Ich habe das große Glück, bei meinen Kindern sein zu können. Es ist anstrengend Kinder und Firma unter einen Hut zu bekommen, das steht außer Frage. Ich stoße regelmäßig an meine Grenzen. Aber ich weiß auch, dass alles einfacher wird, wenn erst einmal alle Zähnchen da sind, wenn mein kleiner Liebling sprechen kann, wenn meine Nächte wieder länger werden. Geduld, ja, das ist wohl das Zauberwort, wie fast immer im Leben.

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