Zurück zur Natur, diesem Weg folgen immer mehr Menschen. Damit der Kontakt zur Natur gar nicht erst abbricht, gibt es Waldkindergärten. Kleinkinder ab 18 Monaten lernen dort ihre Umwelt mit allen Sinnen wahrzunehmen und ihr den gebührenden Respekt zu zollen. Hier erfahrt ihr mehr über das Konzept Waldkindergarten.

Die Idee hinter dem Waldkindergarten

Wie der Begriff Waldkindergarten bereits vermuten lässt, handelt es sich hier um einen Kindergarten, der in einem Wald, also mitten in der Natur, situiert ist.

Kleinkinder und Kinder von 1,5 Jahre bis zum Schuleintrittsalter lernen hier das freie Spiel an der frischen Luft, zwischen Bäumen, auf moosigem Untergrund und an Flussläufen. Im Unterschied zu „normalen“ Kindergärten, halten sich Waldkinder vorwiegend im Freien auf. Sie spielen mit allem, was die Natur hergibt, forschen, entdecken und pflanzen.

Nur bei extrem schlechten Wetterverhältnissen (starkes Gewitter, Hochwasser, Schneesturm) suchen sie Unterschlupf in Zelten, Blockhütten, Bauwägen oder Räumlichkeiten von kooperierenden Einrichtungen in der Nähe.

Geschichte und Verbreitung

Die Idee eines Waldkindergartens führt auf Ella Flatau, eine dänische Mutter aus Søllerød, zurück. Ella verbrachte in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts mit ihren eigenen 4 Kindern sowie einigen Nachbarskindern viel Zeit im Wald. Unter ihr entstand sozusagen der erste Waldkindergarten. 20 Jahre später sprossen auf dieser Grundlage Waldkindergärten in ganz Skandinavien aus dem Boden. Schweden zählt mittlerweile mit seinen „I Ur och Skur“ („bei Wind und Wetter“) – Kindergärten zu den führenden Anbietern für Waldkinder.

Der erste deutsche Waldkindergarten wurde 1969 gegründet. Staatlich anerkannt wurde die skandinavische Pädagogik jedoch erst in den 90er Jahren. Mittlerweile zählt Deutschland mehr als 300 Waldkindergärten, Tendenz steigend.

Das Konzept

Wesentlich ist, dass das Kind möglichst viele Dinge selbst entdeckt.
Wenn wir ihm bei der Lösung aller Aufgaben behilflich sind,
berauben wir es gerade dessen, was für seine geistige Entwicklung das Wichtigste ist.
Ein Kind, das durch selbständiges Experimentieren etwas erreicht,
erwirbt ein ganz anderes Wissen als eins, dem die Lösung fertig geboten wird.“
(Emmi Pikler)

Wie die ungarische Kinderärztin Emmi Pikler so schön sagte, ist das Erkundschaften und Entdecken der eigenen Umgebung ein wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung. Kinder haben einen natürlichen Forscherdrang. Jeder Stein, jeder Tropfen Wasser, jeder vorbeifliegende Vogel ist ein Erlebnis, das die Aufmerksamkeit eines Kindes minutenlang fesseln kann. So wird ein kleiner Spaziergang in der Natur schnell zu einer Abenteuerreise.

Kinder riechen, sehen und ertasten ihre Umwelt mit allen Sinnen. Ihre kleinen Augen sehen, was wir schon lange nicht mehr wahrnehmen, ihre Ohren hören, wofür unser Gehör mit der Zeit taub geworden ist. Im Waldkindergarten schulen die Kinder ihre Sinne, ununterbrochen und jeden Tag aufs Neue.

Ihr Spielzeug sind Blätter, Zweige und Steine. Begleitet von geschulten PädagogInnen entwickeln sie ein Gespür für unsere vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Sie lernen das Leben um sie herum wertzuschätzen und jedem Lebewesen Respekt zu zollen, und dies auf ganz natürliche, spielerische Weise.

Auf dem Naturspielgelände gibt es keine Spielkisten mit industriell gefertigtem Kinderspielzeug. Stattdessen nutzen die Waldkinder kindgerechte Werkzeugkisten, Gartengeräte, Pinsel und Farben zum Verzieren von Naturalien.

Und was lernen Waldkinder neben dem freien Spiel in der Natur?

Ich kann nur schützen, was ich liebe.
Ich kann nur lieben, was ich kenne.
Ich kann nur kennen, was ich wahrnehme.
Ich nehme nur wahr, was für mich Bedeutung hat.
(Autor unbekannt)

Die Waldkindergarten-Pädagogik möchte Kleinkindern und Kindern Folgendes mit auf ihren Lebensweg geben:

  • Reflexion und Selbsteinschätzung des eigenen Handelns
  • Lernbereitschaft durch das Ausleben der eigenen Kreativität und Phantasie
  • Respekt vor tierischem und pflanzlichen Leben
  • Schulung der eigenen Sinneswahrung
  • Intensive Wahrnehmung von Jahreszeitenwechsel, dem Rhythmus der Natur, der Tier- und Pflanzenwelt
  • Sensibilisierung für ökologische Zusammenhänge

Kinder sind kleine Forscher, die noch Staunen über die alltäglichen Wunder der Natur. Damit dieses Staunen möglichst lange bewahrt wird, sind es in erster Linie Elterninitiativen, die sich für die Errichtung neuer Waldkindergärten stark machen.

Regeln und Rituale oder anti-autoritärer Erziehungsstil?

Mag dies alles nun sehr liberal klingen, so ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass es in einem Waldkindergarten sehr wohl Regeln und Rituale gibt. Die ErzieherInnen vereinbaren mit den Kindern situationsbedingte Regeln und achten auf deren Einhaltung. Dabei geht es zum einem um Hygienevorschriften, das Beisammenbleiben der Gruppe und der respektvolle Umgang mit der Umgebung. Auch folgt der Tagesauflauf Ritualen, der für ein vertrautes Ambiente sorgt, in dem die Kinder sich sicher und geborgen fühlen können.

Waldkindergarten: nichts für zimperliche Eltern

Spielen im Wald, an der frischen Luft, unter Obhut von geschulten Erzieherinnen, da spricht doch nichts dagegen, oder?

Grundsätzlich sicherlich nicht. Doch sollten die Eltern unbedingt vorher bedenken, dass kleine Schrammen, Schürfwunden, Schiefer, Zecken und schmutzige Kleidung zum Alltag eines Waldkindes gehören. Natürlich geben die PädagogInnen ihr Bestes, um Verletzungen zu verhindern, doch liegt dies nicht immer in deren Macht.

Die Verantwortung der Eltern ist es also, für die richtige Kleidung (wasserfeste Überkleidung, geschlossene Schuhe, robuste Hose) zu sorgen und ihre Kinder nach jedem Vormittag im Wald auf Zecken abzusuchen. Auch muss man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass der kleine Liebling bei Wind und Wetter über Wurzeln springt oder durch den Schnee watet.

Empfehlenswert ist es daher, sich einen Waldkindergarten vorab in Ruhe anzusehen, zum Beispiel während eines Sommerfestes, und ein ausführliches Gespräch mit den PädagogInnen zu führen.

Die Entscheidung ob Waldkindergarten, Ja oder Nein, muss übrigens nicht eine finanzielle sein. Denn der Besuch eines Waldkindergartens ist nicht teurer als der eines „normalen“ Kindergartens.

Neugierig geworden? Beim Bundesverband für Natur- und Waldkindergärten in Deutschland e.V. könnt ich nachsehen, ob es auch in eurer Nähe einen Waldkindergarten gibt: http://bvnw.de/?cat=12

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